Bildung
In Aegerten und Studen wird die «Frühe Förderung» getestet
Publiziert: 02.03.2024, 18:01 Uhr
Die
Gemeinden Aegerten und Studen erproben seit bald zwei Jahren, ob und wie eine
Fachstelle «Frühe Förderung» auf dem Land und in der Agglomeration
funktioniert. Die Idee: Alle Eltern mit Kindern vor dem Eintritt in den
Kindergarten werden nach ihren individuellen Bedürfnissen unterstützt.
Für die
einen ist es die Hilfe bei der Suche nach Spielgruppen- oder Kita-Plätzen.
Andere möchten die Sozialkontakte ihrer Kinder fördern und die Lehrpersonen
erhoffen sich damit verbesserte Schulsprach- und Sozialkompetenzen für alle
beim Eintritt in den Kindergarten.
Die
Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) des Kantons Bern
unterstützt das Pilotprojekt finanziell und erhofft sich Impulse für die
Vernetzung und die künftige Förderung weiterer Projekte im ganzen Kanton.
Für den
Aufbau der entsprechenden Fachstelle hat die Gemeinde Aegerten in Corinne
Weilenmann als Fachperson Betreuung Kinder eine Pionierin mit optimalem
Rüstzeug gewonnen.
Die
Spiel- und Waldspielgruppenleiterin mit viel Erfahrung auch in der Tagesschule
und Integrationsarbeit im «Elki-Sprachkurs» für Eltern gemeinsam mit ihren
Kindern in Studen kennt die lokale Situation.
Sie hat
die veränderten Bedürfnisse aufgrund des rasanten Wachstums der Gemeinden
hautnah mitverfolgt. «Wir haben heute auch viele Familien mit schulpflichtigen
und kleinen Kindern, die aus der Romandie nach Aegerten nahe der Sprachgrenze
gezogen sind.»
Wie alle anderen Neuzuziehenden spricht Weilenmann sie persönlich an und bietet ihre Unterstützung bei den Kontakten zu frühkindlichen Förder- und Betreuungsangeboten an. Dann hilft sie auf Wunsch mit Beratung oder bei der Administration der Betreuungsgutscheine KiBon und beim Zugang zu weiteren Unterstützungsangeboten. In diesen Tagen motiviert sie zudem gezielt fremdsprachige Eltern zum Besuch des nächsten «Elki-Sprachkurses».
Quelle: Anne-Camille Vaucher
Weilenmann,
die sich gerade zur Integrationsfachperson weiterbildet, kennt die Wichtigkeit
der Sprachkompetenz sowohl in der Mutter- als auch in der künftigen
Schulsprache. «Für die Kinder ist die Muttersprache eine unverzichtbare
Voraussetzung auch für die soziale Kommunikation in der Familie», sagt sie.
Aber zur
Schulreife gehöre auch der Austausch mit Gleichaltrigen, am besten in der
künftigen Schulsprache, ist Weilenmann überzeugt. Als Mutter hat sie selbst
erfahren, welche Herausforderung der Schulstart als Ablösung aus der
familieninternen Betreuung bedeutet.
«Am Anfang
geschwommen»
In der
Aegerter Gemeindepräsidentin Christine Rawyler hat Weilenmann und das ganze
Projekt eine überzeugte Mentorin. Als Rawyler vor vier Jahren im Gemeinderat
das Ressort Bildung und Soziales übernahm, hatte sie kaum Vorstellungen, was
sich da entwickeln könnte.
Die
Lehrpersonen haben sich auf der Suche nach Lösungen bei der sprachlichen
Integration der zunehmenden Anzahl fremdsprachiger Kinder an sie gewandt. Und
der Elternverein erhoffte sich Unterstützung durch Vergünstigung der
Spielgruppen-Kosten in Studen und Aegerten.
«Am
Anfang war es für mich ein riesiges Schwimmen in all den Informationen,
Angeboten, Wünschen und Herausforderungen», sagt sie. Als sie im Sommer 2021
während dreier Wochen bei Regenwetter und aufgrund von Pandemieeinschränkungen
zu Hause bleiben musste, hatte sie Zeit.
Sie
besorgte sich viele verfügbare Statistiken und analysierte diese.
Dabei verglich sie globale mit lokalen Daten und sah das Potenzial und die
Defizite in der ländlichen Förderung und Unterstützung von Kindern im
Vorschulalter und deren Eltern.
Es gab auch
Kritik
Zusammen
mit den Sozial- und Bildungsverantwortlichen in Aegerten und Studen initiierte
Rawyler das Pilotprojekt bei der GSI und stiess auf offene Ohren.
Im
kantonalen «Familienbericht 2021» des Bernischen Grossen Rates sind Ziele und
Inhalte der frühkindlichen Förderung definiert. «Die Gemeinden Aegerten und
Studen haben dies erkannt, das Vorgehen kann eine Signalwirkung für andere
Gemeinden haben», ist Gundekar Giebel von der GSI überzeugt.
Die
vernetzte Fachstelle kenne alle Akteure und Angebote und könne damit die
Schwelle für die konkrete Zusammenarbeit zum Nutzen der Kinder senken.
Bei der Verankerung
der Mitfinanzierung der Elternbeiträge für die Spielgruppe und der Fachstelle
gab es an der letzten Aegerter Gemeindeversammlung auch Kritik bezüglich der
Wirksamkeit der Investition.
«Aber das
Echo aus der Bevölkerung ist nach anfänglicher Zurückhaltung heute durchaus
positiv», sagt Christine Rawyler.
Dem kann
ihr Studener Amtskollege Heinz Lanz zustimmen. «Ich bin ja bekannt dafür, dass
ich neue Ausgaben nüchtern auf ihre Zweckmässigkeit analysiere», begründet er
seine ursprüngliche Zurückhaltung. Heute sei er aber überzeugt, dass sich jeder
investierte Franken in die «Frühe Förderung» lohne und die Investition später
ein Mehrfaches an Einsparung erzeuge. Das freut Rawyler wie Weilenmann ganz
besonders.
Mit dem
Kindergarteneintritt im nächsten Sommer erhoffen sich alle Beteiligten, dass
sie anschliessend bei der Evaluation den Wert der Pionierarbeit nachweisen und
dokumentieren können.