Eine Seeländer Glocke erklingt in der ganzen Schweiz
Aus
der Bieler Stadtkirche spendete der weihnächtliche Glockenklang damals wie
heute auch im Spitalzentrum Trost und Hoffnung. Quelle: Matthias Käser
Seit einem halben Jahrhundert singen Jodler zu Weihnachten das Lied Wiehnachtsglogge des Bieler Komponisten Ernst Sommer. Der Anlass, das Lied zu schreiben, war nicht erfreulich.
Markus Dähler Publiziert:
25.12.24
«D
Wält isch müed vom viele Stryte, müed vo all däm bittre Leid.»
Wer
könnte die Gemütslage vieler Menschen hier und weltweit kurz vor Weihnachten
treffender beschreiben als das Jodellied «Wiehnachtgslogge» von Ernst Sommer? Vor
bald 50 Jahren hat der Seeländer Jodler, Komponist und vielseitig engagierte
Brauchtumsaktivist diese Zeilen geschrieben und vertont:
«Doch
wenn d Wiehnachtsglogge lüte, gspürsch du Friede, gspürsch du Freud.»
Die
Entstehung des melodiösen Jodelliedes hat eine aussergewöhnliche Geschichte: Im
Dezember 1976 erkrankte Sommers Gattin Heidi und verbrachte die Festtage im
Ungewissen über die Heilungsaussichten im Bieler Beaumont-Spital. Das Verweilen
in dieser Umgebung hoch über der Stadt und seinen nahen Wäldern bot Ernst
Sommer in seiner Sorge um Heidis Genesung einen Hort der stillen Einkehr. Dort
schrieb er auch an seinem Lied:
«Gspürsch
im Wald dä heilig Friede, rings um dii die teufi Rueh? U vom Stedtli wyt dert
nide, klinge d Glogge zue der ue.»
«Es ist
unser Seeland, unsere Heimat am Jurasüdrand, mit dem Blick auf die Bieler
Kirchen, welche im Lied besungen wird», erklärte Heidi Sommer damals die
Entstehung des besinnlichen Liedes. In der Folge feilte der Komponist während
Monaten im Geheimen am Text und an der Harmonie, bis er seiner Gattin das neue
Lied im November 1977 in der heutigen Fassung ans Spitalbett brachte. Es
brauchte dann aber seine Zeit, bis die Komposition Mitte der 80er-Jahre an
Beachtung gewann.
Bis heute
haben Musik und Text nichts an Aktualität verloren. Kriege, politische Krisen
und Alltagssorgen auch bei uns trüben die Stimmung während den langen
Winternächten.
«S
dunklet früeh nach churze Tage i der stille Wiehnachtszyt. Und du ghörsch mit
Wohlbehage vo der Chilche s Gloggeglüt.»
Die Glocken der Stadtkirche brachten auch Ernst und Heidi Sommer Mut. Quelle: Matthias Käser
Glockengesang
aus dem Chor
Als hätte
das Schicksal den Wunsch des Komponisten vernommen, konnte Heidi Sommer bei der
Uraufführung zur Weihnacht 1977 wieder in den Reihen des damals über die
Grenzen der Region hinaus bekannten Jodlerklubs «Bienna» stehen.
Tonaufnahmen
aus jener Zeit zeigen: Die Interpretation muss feierlich getragen sein. Der
klangvolle Doppeljodel, untermauert vom vierstimmigen Glockengeläute des
Begleitchores, erinnert an die weihnachtliche Zwiesprache.
«Allne
Gsunde, allne Chranke rüefe d Wiehnachtsglogge hüt: Für e Friede wei mer danke,
müedi Wält, stand uf, sing mit!»
In der
einstigen volkstümlichen Hochburg Biel mit den Konzerten im Kongresshaus waren
Sommers Glocken allenthalben zu hören. In seinen Aktivjahren intonierten
zuweilen sieben Chöre gleichzeitig seine Lieder. Heute pflegt auf dem
Stadtgebiet einzig der Jodlerklub «Bielersee» das musikalische Erbe von Ernst
Sommer.
In den
Reihen des Chors in den schmucken Bieler Trachten hätte es noch Platz in allen
vier Stimmen oder Register der Jodellieder im Männerchor-Satz. Und auch in
zahlreichen Chören im ganzen Seeland und angrenzenden Berner Jura wären neue
Stimmen willkommen.
Nicht
nur an Weihnachten auf dem Programm
Der
Erfolg von Sommers «Wiehnachtsglogge» bewog verschiedene Dirigenten, die
Komposition auch bei anderen Anlässen vorzutragen. Ganzjährig wird das Lied als
«Abeglogge» angestimmt und Linus Amman schuf den Text für die «Hochzytsglogge»
mit der gleichen Melodie.
Ernst
Sommer hätte am 22. Januar 2025 seinen 100. Geburtstag gefeiert. Er ist kurz
vor der Pensionierung und zwei Tage nach dem Kantonalen Jodlerfest 1989 in Lyss
gestorben.
Zu seinen Ehren organisieren die Jodler aus Ins,
Epsach und Oberburg samt Kleinformationen am 19. Januar in Lyss ein
Gedenkkonzert. Hier singen und jodeln sie neben den weniger bekannten
Kompositionen auch die «Wiehnachts- oder Abeglogge» und Sommers grössten Hit
«Häb Fröid am Läbe».
Gedenkkonzert für Ernst Sommer
Am 19. Januar 2025 um 17 Uhr findet in der grossen
reformierten Kirche Lyss ein Gedenkkonzert «100 Jahre Ernst Sommer» statt. Der
Eintritt ist frei (Kollekte), es gibt keine Platzreservation.