Jodler,
Wagenbauer, Treichelschmied: Der Schwadernauer Karl Gurtner hat seine Talente
genutzt
Am
Freitag feiert Karl Gurtner in Studen seinen 100. Geburtstag. In Schwadernau
hat er Pneuwagen konstruiert, in der Werkstatt gejodelt und Treicheln
geschmiedet.
Markus
Dähler / Publiziert: 18.7.2025, 06:30 Uhr
Vor 100
Jahren ist Karl Gurtner in Studen als sechstes von sieben Kindern geboren
worden. Bald sind die Eltern nach Schwadernau in das Bauernhaus neben der
Sägerei gezogen. Nach der Lehre als Schlosser während der Kriegsjahre folgten
die Rekrutenschule und der Militärdienst als kundiger Fahrer des
Bataillonskommandanten.
Bald
begegnete er Margrit Hari aus Brügg, seiner künftigen Ehefrau. Zusammen freuten
sie sich an der Geburt der Töchter Priska und Therese und zogen gemeinsam ins
Einfamilienhaus nahe der Werkstatt. Neben seinem harten Tagwerk im Wagenbau und
dem Jodeln zum Ausgleich engagierte sich Karl Gurtner auch in der Baukommission
und im Gemeinderat der Wohngemeinde. Mit seinen beruflichen Erfahrungen war ihm
besonders der Ausbau und Unterhalt des Wegnetzes ein grosses Anliegen.
Der frühe
Tod seiner Ehefrau 1998 war für alle ein harter Schlag. Aber der Jubilar liess
sich, getragen von seinen Töchtern, nicht entmutigen und führte fortan den
Haushalt selbstständig. Vor vier Jahren fand er dann im «betreuten Wohnen» im
Senevita Wydenpark in Studen sein neues Heim. Hier nimmt er, auch mit Zeitung
und Fernsehen, am Geschehen in der Welt teil, beteiligt sich am Zusammenleben
im Haus und freut sich, in seinen eigenen Wänden Besuch zu empfangen.
Senevita-Leiterin
Rita Ehmann schätzt das «freundliche und dankbare Wesen» von Karl Gurtner.
Quelle:
Nik Egger
Am
Freitag feiert er hier seinen 100. Geburtstag. Dass er sich schon nach wenigen
Wochen heimisch gefühlt hat, hat viele überrascht. «Sein freundliches und
dankbares Wesen geniesst die Wertschätzung des ganzen Teams und der
Mitbewohnenden. Er seinerseits schätzt es, selbstständig mit bedürfnisgerechter
Unterstützung wohnen zu können», sagt Leiterin Rita Ehmann, die sich darauf
freut, Gurtner am Festtag zu gratulieren.
Begehrter
«Gurtner-Wagen»
Fahrzeuge
mit und ohne Motoren faszinierten Karl Gurtner. Gemeinsam mit seinem Bruder
Fritz verkaufte und reparierte er Autos, Traktoren und landwirtschaftliche
Maschinen. Beim Elternhaus bauten sie eine Werkstatt an, stellten einen Schmied
und einen Wagner ein und konstruierten bald die «Gurtner-Wagen» für die
Landwirtschaft.
Karl
Gurtner entwickelte dabei als Ersatz der alten Holzspeichenräder mit
Eisenreifen ein Achsensystem mit Naben für Pneuräder. Während der gelernte
Schlosser die Werkstatt mit mehreren Angestellten leitete, verkaufte Bruder
Fritz die Fahrzeuge auf den Märkten, insbesondere im Seeland und im Jura.
Begehrt waren die handlichen Zweiachser auch wegen des speziellen
Verschlusssystems der Seitenwände, die das Entladen von Weizen, Kartoffeln oder
Zuckerrüben erleichterte.
«Den
letzten ‹Gurtner-Wagen› habe ich vor mehr als 30 Jahren auf dem Markt in
Aarberg gekauft», erinnert sich der Schwadernauer Alt-Gemeindepräsident
Bernhard Schneider. Der Wagen sei immer noch in Betrieb und die Gebrüder
Gurtner freuten sich über die Wertschätzung ihres Handwerks.
Duett
mit dem Käsermeister
Schneider
erinnert sich aber auch, dass in Gurtners Werkstatt gesungen wurde. Fritz und
Karl Gurtner waren begeisterte Jodler. Beim Brügger Musiklehrer und Dirigenten
Gerhard Scheidegger holten sie sich das Rüstzeug für das volkstümliche Singen
im Jodlerklub Edelweiss Aegerten-Brügg. Karl fand später mit Käsermeister Peter
Müller seinen Duettpartner und Vorjodler im Jodlerklub Diessbach. Zusammen
prägten sie während Jahrzehnten die klangliche Ausstrahlung dieses Klubs.
Am 75.
Geburtstag entschlossen sie sich, im darauffolgenden Jahr in Meiringen beim
Bernisch-Kantonalen Jodlerfest nochmals mit einem Wettlied anzutreten:
«Hubelhanses Töchterli» von Adolf Stähli. Jury und Publikum waren begeistert.
Beim
Eidgenössischen Jodlerfest in Aarau schlossen sie 2005 ihre erfolgreiche
Karriere als Jodler ab und überliessen auch im Klub künftig den Jungen den
Solistenpart. Mit seiner klangvollen und tragenden Stimme über drei Oktaven ist
der Jubilar seinen Mitmenschen als bescheidener und hilfsbereiter Freund
begegnet. Er beobachtete und analysierte das Geschehen und ergriff das Wort
nur, wenn es ihm wichtig erschien. Dann war ihm die Aufmerksamkeit sicher und
seine Meinung hatte Gewicht.
Auch BT-Autor Markus Dähler
hat von Karl Gurtner eine Treichel erhalten.
Quelle: Nik Egger
Kaum jemand wusste, dass Karl Gurtner nach der Aufgabe seines
Gewerbes zu Hause in der Werkstatt grosse Treicheln schmiedete. Gerne zeigte er
Freunden seine Dankbarkeit mit diesem Geschenk samt einem schmucken Riemen mit
persönlicher Widmung.
Dass am
letzten Sonntag beim Bernisch-Kantonalen Schwingfest in Langnau der Melchnauer
Severin Staub zur Erinnerung an seinen ersten Kantonalkranz im Gabentempel die
grösste Gurtner-Treichel wählte, ist für den 100-jährigen Karl Gurtner ein ganz
besonderes Geschenk.
Der Melchnauer „Teilverbands-Neukranzer“ Severin Staub
wird sich mit Gurtners Treichel an das erfolgreiche Langnauer-Fest erinnern.
Quelle: Barbara Loosli
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